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Irgendwann muss jemand STOPP sagen: STOPP!

STOPP! Oh ja, irgendwann muss jemand STOPP sagen. Genau das habe ich gerade stellvertretend für so viele Menschen getan. Aber wozu eigentlich? Warum STOPP?
Dieses STOPP ist für etwas bestimmtes: Es ist ein Warnsignal und es soll wachrütteln.

Einige mögen jetzt denken, dass dieses STOPP den Asylbewerbern gewidmet ist. Jene Menschen, die nach einer langen Flucht auf ein Leben in Frieden hoffen.
STOPP – 5 Buchstaben mit einer unglaublichen Kraft. Aber leider noch immer zu wenigen Mutigen, die es aussprechen.
Dieses STOPP ist an alle gerichtet, die ihren Selbsthass auf andere projizieren. Die mit Fremdenhass und Vorurteilen gegen Menschen – gegen Leben – vorgehen und ihnen die Chance verwehren glücklich zu werden.
Was ist nur aus dem Land geworden, das es vor 25 Jahren geschafft hat erst sich selbst, dann Europa und final die Welt nach über 50 Jahren eisiger Stimmung zu einen. Aus den Menschen, die sich mit Tränen in den Augen in den Armen lagen und sich gefreut haben, dass ihre Familien wiedervereint worden sind. Das Land das sich die Schuld aufgebürgt hat die Welt aus ihren Angeln zu heben, Massenmorde zu verüben und die Kraft zu haben, diese Vergangenheit hinter sich zu lassen.
Vor 25 Jahren wurde der Grundstein für ein Europa gelegt, welches sich jahrhundertelang gegenseitig bekriegt hat. Dafür hat Deutschland oder vielmehr die politischen Führer aller Länder mehr als nur Respekt verdient. Die Anerkennung und die Wahrnehmung unseres Landes hat sich geändert. Aus vermeintlichen Feinden wurden Freunde und zusammen wurde etwas großes Geschaffen. Abseits sämtlichen Patriotismusses wurden Grenzen aufgehoben, Länder vereint und näher zusammengebracht. Wie stolz könnten wir auf diese Ergebnisse sein. Wir könnten unseren neuen Freunden die Hand reichen und ihnen helfen. Getreu dem Motto: Nur gemeinsam sind wir stark.
Doch was tun wir in unserer Arroganz? Wir lassen anderen Länder am ausgestrecktem Arm verhungern. Wir überwachen unsere Freunde. Wir ignorieren die Hilferufe.
Wieso tun wir das? Wir sind wieder jemand. Wir können wieder aufrecht gehen und müssen nicht mehr gebückt bei unseren Freunden um Hilfe bitten. Wieso sollten wir nun also jemanden an unserem Wohlstand teilhaben lassen.
Genau an dieser Stelle muss es gesagt werden: STOPP! STOPP! STOPP!
Wieso entwickeln wir uns von einem geachteten Land mit geachteten Politikern nun schon wieder zu einem Land auf das man herabblickt. Warum behalten wir den eingeschlagenen Weg nicht bei. Verabschieden uns von Grenzen, von Ländernamen und versuchen ein Europa und später eine Welt zu schaffen auf der man gerne lebt.
Ich schäme mich wirklich. Ich schäme mich für die Massen an Menschen, die gegen anderen Menschen hetzen. Die Wohnungen in Brand setzen und einen dankbaren Nährboden für Vorurteile, Hass und Furcht bieten.
STOPP!
Ich schäme mich dafür, dass sich Millionen Deutsche über die Angriffe auf Charlie Habdo echauffieren und wenige Monate später viel zu viele Menschen die Brandanschläge auf Asylbewerberheime versuchen zu rechtfertigen.
STOPP!
Ich schäme mich auch für die Staatsoberhäupter. Die Entscheidungen treffen, die vermeintlich meinem „Wunsch“ entsprechen und sich mit einer demokratischen Wahl dazu legitimiert sehen. Die nach einer Wahl Ämter besetzen, deren Kompetenzen sie nicht benötigen, nur weil sie lange genug irgendjemandem Gefallen getan haben.
STOPP!

Ich fühle mich ohnmächtig in dieser Situation. Es fühlt sich an, als würde man gegen Windmühlen kämpfen. Wie ich darauf komme? Dazu eine kleine Anekdote: Ich wohne in einem Ort, der direkt an der innerdeutschen Grenze lag. Die Wachtürme an der Havel und die alten russischen Kasernen und Hangar lassen heute noch vermute, wie es sich vor 25 Jahren angefühlt haben muss. Eine Stadt direkt im Speckgürtel von Berlin. Eine Stadt die schon seit jeher ein Asylbewerberheim besitzt. Und seit jeher entsprechend Asylbewerber im Stadtbild vorhanden sind. Man sollte also davon ausgehen, dass alle Ortsansässigen diese Situation kennen, wissen, dass es niemals nennenswerte Übergriffe, Diebstähle oder ähnliches gab. Dieses Asylbewerberheim wurde nun um einige Blöcke erweitert, es wurden dazu alte Kasernengebäude saniert und man sieht jeden morgen, wie ein ganzer Strom von Asylbewerbern – mit Stift und Block ausgestattet – versuchen eine Ihnen komplett unbekannte Sprache und so viel mehr zu lernen. Obwohl sie schon immer da waren, lassen sich die Ortsansässigen zu typischen Mustern a la „Was wollen die hier“ oder „Anzünden wäre eine Lösung“ hinreißen. Leider kommen diese Aussagen immer von Menschen, die entweder einen „geringeren“ Bildungsabschluß (welch wertende Phrase…) haben oder dazu neigen andere Meinungen unreflektiert wieder zu geben. Das stimmt mich traurig. Sehr traurig sogar.
Aber es verdeutlicht das eigentlich Problem. Das Problem, dass in den letzten Jahrzehnten eine Gesellschaft erzogen wurde, die sich nicht mehr auf die Grundsätze Gleichheit, Freiheit und Gerechtigkeit beruft. Sondern wir haben eine Gesellschaft, in der jeder versucht seine Ellenbogen am weitesten raus zustrecken. Wer von den digital natives kennt es denn nicht. Wenn man in jungen Jahren in der Schule saß und bei Klassenarbeiten zwischen den Sitzplätzen Bücher oder Federmäppchen aufgestellt wurden – damit auch nur keiner abschreiben kann.
Wir haben eine Gesellschaft geschaffen, die Kommentarlos Kürzungen im Bildungssektor in Kauf nimmt, aber bei Budgeterweiterungen für Überwachung, Militär oder Sicherheit glücklich in die Hände klatscht. Schließlich geht es darum, dass man selbst im gemachten Nest sitzt.
Eine Gesellschaft, die ihre Kinder stundenlang in Fremde Hände abgibt – a.k.a. Erzieher und Lehrer – aber anfängt zu meckern, wenn diese mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen haben wollen.

Ich denke es eine Zeit gekommen – oder besser: wir sind schon 25 Jahre zu spät dran – in der wir wieder mehr in Bildung investieren müssen. Nicht diese Rohrstock oder Frontalbildung. Wir müssen einen Fokus auf Bereiche wie Medienkompetenz setzen. Wir müssen das miteinander fördern. Wir müssen der Gesellschaft beibringen, dass man sich gegenseitig an die Hand nimmt und sich unterstützt anstatt sich auszugrenzen. Und das nicht nur auf nationaler Ebene sondern global.
Nur so können wir verhindern, dass sich die Vergangenheit wiederholt, können Vorurteile in den Köpfen abbauen und das bewußtsein steigern, dass wir Helfen können andere Regionen auf dieser Erde wieder lebenswert zu machen. Die Zeit hat sich geändert und wir müssen mehr denn je in die Zukunft schauen und die richtigen Steine legen. Wir haben genau diese Chance in der Hand. Nutzen wir sie!

Ich möchte meinem Kindern und Enkelkindern zu passender Zeit in die Augen sehen können und dabei sagen: „Das haben wir für euch gemacht. Das ist unsere Hinterlassenschaft„.

Jens Altmann

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Jens Altmann bloggt auf gefruckelt.de regelmäßig über alle Themen, die ihn interessieren. Neben seiner Tätigkeit als Softwarearchitekt studiert er Wirtschaftsinformatik an der Uni Potsdam.

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